Schneckengeschichte oder Schneckendreck
Ist das ein Wetter Heut. Nichts als Regen und nochmals Regen. Der lässt einem nicht in Ruhe. Verziehe ich mich halt in mein Haus. Ja, und die Schnecke, die diese Worte sprach, verzog sich in ihr Haus. In ihr Schneckenhaus. Zwei Tage regnet es schon. Die Schnecken waren damit gar nicht zufrieden. So viel Regen. Nein, das kann so einer richtigen Schnecke ganz schön auf die Nerven gehen. Sie verziehen sich halt in ihr Haus. Gemütlich wird es sich dort gemacht. Doch plötzlich. Schnacki! So nenne ich meinen kleinen Freund den Schneck. Er erwachte aus seinem tiefen Schneckenschlaf. Zupi, ein anderer Schneck Draußen rief ganz laut: Schnacki, Schnacki, Schnacki! Ja und Schnacki weckte diese Ruferei natürlich. Also kroch er hervor und streckte seine Fühler. Halb im Schlaf fragte er: Was ist Zupi?
Zupi sagt: Stell dir vor. Da vorne, eine Schneckenmeile (Fachausdruck) vor uns hat so ein Riesending, ich glaube ein Automobil, unseren Freund Schlufer, überfahren. Jede Hilfe kam zu spät. Zupi brach in Tränen aus. Schnacki, der jetzt gar nicht mehr schläfrig drein sah, sagte erschreckt oder erschneckt: Eine Meile sagt du!? Zupi: Ja, ja.
Schnacki: Jetzt hat es den auch erwischt, Würmerdreck. Das ist so ein Fluch bei den Schnecken. Natürlich Fluchen sie nicht über die Würmer., sondern über die Menschen. Sie sagen nur Würmerdreck, weil die Würmer (Ihre Freunde) so aussehen, wenn sie Überfahren werden. Umgekehrt tun sagen die Würmer auch: Schneckendreck.
Zupi: Sie fahren zu Tode, wenn der Regen nicht endlich aufhört. Es könnte auch mir passieren. Schacki: Ja der Regen ist ein Problem. Wenn der nicht wäre, dann wäre Schlufer auch nicht ausgerutscht auf der Strasse. Wo er doch so schnell Geschneckt ist.
26.12.1975
Draußen
Eine Möwe zieht hoch oben ihre Kreise. Ruhig und beschwingt. Dort Draußen, weit weg von hier. Nur Blau ist es dort. Aber es hat viel verschiedene Blau. Helle und dunkle. Manchmal sieht man auch Schiffe, doch eher selten. Eine Flaschenpost kommt von irgendwo her. Musik erklingt, wenn die Schiffe kommen. Doch meistens ist es ruhig dort Draußen. Weit weg von hier, draußen im Meer. Ich blicke dort hinaus durch mein Fernglas und fange an zu träumen. Es ist ein langer Traum. Ohne Bedeutung. Ohne Handlung. Ich möchte dort hinaus. Doch ich bin so klein, um gegen die Mächte der Wellen anzukämpfen. Jetzt möchte ich gerne eine Möwe sein und wegfliegen von hier. Traum, muss ich den wirklich hier stehen bleiben? Durch mein Fernglas dort hinausblicken. Traum, nimm mich doch mit! Darf ich mal sein wie eine Möwe? Ich tu das Fernglas weg. Blicke nochmals hinaus. Drehe mich um und gehe fort. Mein Fernglas lasse ich liegen. So gehe ich auf der Landstrasse Richtung Großstadt und träume von Fliegen.
13.7.1978 In Belp
Im Garten
Ein wahrlich herrliches Wetterchen haben wir heute. Die Sonne scheint so wunderbar warm auf uns herunter, dass einem auch mit einem nackten Oberkörper die Schweissperlen herunterfliessen. Unser öffentliches Bad erlebt einen Ansturm wie schon lange nicht mehr. Vor ein paar Minuten bin ich dort vorbeigefahren und betrachtete von weiten her die grosse Menschenmasse. Der Lärm war so gross, dass ich gemeint habe, ein es wäre gerade ein Fussballspiel im Gange. Die Kinder erfreuen sich am meisten ab dem kühlen Nass. Es gibt Jungs und Mädels von ihnen, die schon bei den ersten Tropfen Wasser, recht laut und deutlich anfangen zu schreien. Andere wiederum hört man kaum, da sie ganz sachte anfangen Tränen zu vergiessen. Mich erinnert dieses Schauspiel meistens an meine eigene Jugend. Ich bin auch nicht unbedingt eine Wasserratte. Bis heute habe ich mich nicht besonders dabei geändert. Jetzt liege ich am Boden, im Schatten eines Baumes im Garten und schreibe diese Zeilen. Es ist gar nicht so lange her, da erlebte ich an diesem Ort etwas ganz Seltsames. Davon will ich nun erzählen. Vollständig ausgerüstet mit Bier, Brot und einer Wurst, mit Bleistift und Papier, begab ich mich, nach einem Einkauf, in den Garten hinunter. Als ich diesen schönen Flecken Erde betrat, da war ich wie geblendet von all der Blumenpracht und all dem frischen Gemüse. Es ist einfach etwas Herrliches zu erleben, wie alles nach der Aussaat zu wachsen und zu blühen beginnt. Ich tat einen kurzen Blick zu meinem eigenen Beet hinüber, in der Überzeugung, dass es auch auf meinem kleinen Flecken Erde recht schön blühen würde. Aber die Pflanzen wachsen nicht so schnell, wenn sie nicht regelmässig gepflegt werden. Ja, leider bin ich halt oft zu faul dazu. Meine Wurst, Brot und Bier waren in kürzester Zeit verzehrt, sodass ich wenig später die Augen schloss. Alles rund um mich hörte sich wunderbar an. Die schönsten Klänge vernahm ich an mein Ohr. Doch plötzlich vernahm ich das Geräusch einer Hacke. Wer, dachte ich mir, wird um diese Zeit im Garten Hacken? Gut, ich meine jeder garten braucht Pflege. Aber wieso denn gerade jetzt, wenn ich meine Ruhe haben will! Nach einiger Zeit begann ich mich zu beruhigen und döste weiter, ohne die Augen jemals geöffnet zu haben. Nach einer Stunde schlief ich ein und so hörte auch das Geräusch der Hacke auf. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich etwas Furchtbares. Alles, aber auch wirklich alles, was im Garten so prachtvoll blühte, war niedergehackt, zerstört, geknickt, kurz, es war furchtbar anzuschauen. Die Hacke stand in der Mitte des grossen Durcheinanders. Ich wusste mir keinen Rat. Ich war sprachlos. Nachdem ich mir noch so oft die Augen rieb, es war immer noch da, dass grosse Durcheinander, die totale Zerstörung. So schloss ich wieder die Augen und träumte davon, wie alles vor ein paar Stunden gewesen war. Ich weiss nicht, wie lange ich noch im Garten gelegen bin. Jedenfalls war es schon Dunkel als ich ihn verliess. Die nächsten Tage war ich sehr verschwiegen, denn ich begriff die Menschen nicht mehr.
24.11.1981 Solothurn
Das Entschuldigungslied
Das du die Toilettentüre nicht abschliesst, immer ist dieses Scheissding einen Spalt offen, stört mich. Wieder sitzt du mit einem feuerroten Kopf auf dem Scheisshaus. Mein Gott! Liebling, ich pisse für mein Leben gerne, vielleicht saufe ich deswegen so viel. Mensch, deine Logik, schreie ich zurück. Du bist einfach süchtig, einfach nur süchtig, das ist alles. Jetzt bin ich noch dein Liebling, denke ich, vielleicht schon in einer halben Stunde nennst du mich wieder «Abfalleimerchen». Wie süss.
Seit heute Abend haben wir wieder ein paar Freunde weniger. Ja ich weiss, wir kennen genug Leute du dir ist es ja egal, wie sehr ich Manfred und Eva mochte. Deine Beleidigungen waren wieder einmal der Hammer, du hast genau ins Schwarze getroffen. Wenn du nur einmal so ehrlich zu dir selbst wärst. Mensch, wo ist mein Kotzkübel, höre ich die jammern. Wo ist dieser Scheisskotzkübel?! Ich denke, zum Glück haben wir keine Kinder. Du bist schon wieder so besoffen, dabei weisst du wo dein Kotzkübel ist, in der Badewanne, hinterm Vorhang. Dein blauer Kübel. Stellen Besucher Fragen wie: Was ist denn mit diesem Kübel in der Badewanne? Antworten wir schon fast im Chor Um Wäsche einzuweichen. Nein, heute ich dir nicht. Zum Glück räumst du wenigstens deine Sauerei immer selbstweg.
In einer Stunde, vielleicht wenige, wirst du geil sein. Ich kenne das. Doch, ich schlafe liebend gerne mit di, ich liebe dich auch. Nur dein Saufen hasse ich, dein ewiges Saufen. Einmal dachte ich mir: Ich ficke ihn halb oder auch ganz zu Tode. Der hat sowieso einen Puls von Zweihundert. Vor Gericht würde ich einfach sagen: Sehen sie meine Herren, er hat sich einfach überanstrengt. Kann ja passieren, oder?
Aber eben, ich liebe dich. Ich mag solche Flaschen wie dich. Deine witzigen Lieder, die du mir auf der Gitarre singst. Deine Stimme gefällt mir so. Und nun sitzt du wieder auf dem Scheisshaus. Eigentlich dort, wo wir uns beide kennengelernt haben. Nicht in unserer Wohnung hier. Nein, es war in deiner Stammkneipe von dir. Du hast dich ins Frauenklo verirrt. Schon bei unserer ersten Begegnung warst du also besoffen. Aber es war so süss. Du bist dort gestanden wie ein begossener Pudel. Es war dir etwas peinlich. Dann hast du dieses Lied gesungen, das Entschuldigungslied. So sind wir ins Gespräch gekommen. Mich beeindruckte es sehr, dass dieses Lied von dir stammte. Dann hast du mich zu einem Glas eingeladen und später war ich auch so besoffen wie du.
Heute kann ich es auswendig, dein Entschuldigungslied. Es gefällt mr immer noch. Doch dass ich es nach jeder Sauferei von dir am Morgen hören muss… Aber das verstehst du nicht. Oder vielleicht doch? Ich glaube du verstehst es. Das ist es gerade. Du bist so einsichtig, besonders wenn du wieder nüchtern bist. Weiss du, ich weiss nicht mehr, wie es weiter gehen soll.
Nun sitze ich hier. Ich weine. Höre nichts mehr um mich herum. Wie lange sitzt ich wohl hier und höre nichts? Ja, ich höre nichts. Wo bist du? Wann kommen deine Berührungen, dein festes Drücken? Trotz den Tränen in den Augen, finde ich irgendwie unsere Toilette. Warum ist die Türe abgeschlossen? Der Text vom Entschuldigungslied ist an die Türe geheftet. Ich sehe Blut. Du musst gleich Tod gewesen sein. Herzstillstand und beim Fallen auf dem Badewannenrand die Schädeldecke aufgeschlagen. Ein gesunder junger Mann, haben sie noch gesagt. Aber er hat sich total übernommen.
15.5.1094 Länggasse
So weiss wie Schnee
Die Geschichte die eigentlich ein Traum ist
Wir Menschen haben die Gewohnheit allem einem Namen zu geben. Wir bestimmen, wie etwas heisst. Warum es so ist-. Doch wir sind nicht nur Meister in den Namen. Auch die Farben haben es uns sehr angetan. Rot ist Gefahr oder die Liebe. Grün ist Freie Fahrt oder die Farbe der Hoffnung. Blau Treue usw. Was ist Gelb? Gelb sind die meisten Psychiatrischen Anstalten. Münsingen oder die Waldau. Es kommt der gelbe Wagen! Weiß sind Ärztekittel. Weiß ist neutral. Weiß sind auch Spitäler. Weiß ist nicht gerade meine Lieblingsfarbe. Ist Weiß eine Farbe? Meine Farbe ist Blau. In dieser Geschichte spielt das Wetter keine Rolle. Vielleicht fällt draussen Schnee. Das Spital ist mit der weissen Pracht umhüllt. Doch die Farbe ist wichtig. Denn in einem weissen Gang beginnt die Geschichte oder der Traum. Der Traum wäre ohne dieses Vorspiel ja schnell erzählt. Doch es ist wie mit dem Sex. Sex ist nur Sex. Mit dem Vorspiel ist es viel mehr. Am Ende eines langen Ganges stand ich da. (Nicht an Sex denken, Geschichte lesen) Weit vorne kann ich eine Türe erkennen. Ist die Türe auch weiß? An beiden Wänden entlang kann ich keine Türen sehen. Alles ist weiß. Die Decke, der Boden, einfach alles. Meine beiden Hände umklammern Chromstahlgriffe. Ich habe trockene Hände. Auch mein Herz ist da, wie eine Selbstverständlichkeit. Die Griffe gehören zu einem Anrichtwagen. Einem schlichten Anrichtwagen. Solche habe ich in Wien oft gesehen, wenn Mehlspeisen offeriert werden. Aber auch in den Spitälern sieht man solche oft. Ich denke es ist ein solcher Wagen. Denn außer den Griffen kann ich nichts erkennen. Ein großes weisses Tuch bedeckt die ganze Ablage. Es reicht bis hinunter zu den Rädern. Trotz dem vielen Weiß muss sich etwas unter dem Tuch befinden. Ein Gegenstand. Nicht einfach wahllos unter das Tuch gelegt. Ganz bewusst, genau in der Mitte des weissen Tuches erhob sich, wie ein kleiner Berg, dieser Gegenstand. Für kurze Zeit fühlte ich mich sehr einsam. Ich wusste, heute habe ich meine Prüfung. Nur wusste ich auch nicht welche. Nur blieb ich nicht lange allein. Wie aus dem Nichts formten sich aus dem weissen Boden Gestalten hervor. Es sah so aus, wie man einem Menschen aus einem Sumpfloch zu retten versucht. Man beginnt an den Haaren zu ziehen. Bis die Schulter zu sehen sind. Solange bis der zum Absaufen verurteilte Mensch gerettet ist. Die weissen Menschen umringen den Wagen. Sehen mich an. Keiner spricht. Eine Pause entsteht. Nie konnte ich später sagen, wie viele mich da plötzlich umgaben. Heute sowieso nicht mehr. Aber alle waren sie offensichtlich Ärzte. Es waren Frauen und Männer darunter. Auferstanden aus ihrem Nichts, erhob dann doch einer das Wort: So Herr Zitzenbacher, heute ist Ihre Prüfung. Beginnen Sie! Was soll ich beginnen?! Mein Ausdruck war so was von fragend, dass eine Antwort sehr schnell kam. Sie sollen nur Ihre Prüfung beginnen!
Mit immer noch trockenen Händen begann ich einfach den Wagen zu bewegen.
Ich hatte immer Prüfungsangst, aber in diesem Augenblick fühlte ich mich sehr sicher. Was soll denn auch geschehen? Der Gang kam mir endlos vor. Und dann alles in Weiß! Kein Hinweisschild deutete darauf hin, dass ich meinen Wagen kurz vor der OP-Türe zum Stehen brachte. Zwei Gucklöcher wie auf einem Schiff starten mich an. Eine Schwenktüre. Eine Stimme meldete sich wieder. (Es schien sich hier um den Chef zu handeln) Na fahren sie doch endlich hinein! Sie sind nicht der einzige Prüfling heute! Mein Wagen und ich, wir sind Freunde geworden, denn wie froh war ich doch mich an irgendwas festhalten zu können, sprengten mit einem Schlag die Türe auf. Ich erwartete einen richtigen Operationssaal, aber nichts dergleichen erblickten meine erstaunten Augen. In einen schlichten Raum traten wir ein. Und wie zu vor war alles in Weiß getüncht. Von der Decke hing eine einfache Glühbirne, die nicht einmal fachmännisch angeschlossen war. Nicht das ich mit meinem Erscheinen Applaus erwartet hätte, aber ich war in diesem Moment doch sehr enttäuscht. Fahren sie den Waagen in die Mitte des Raumes und beginnen sie! Meldete der Chef wieder. Bei seinen Worten blickte ich ihn an und er drückte mir dabei einen Dosenöffner in die Hand. Die Blicke rund um mich verrieten mir, mich doch etwas zu beeilen. Vorsichtig hob ich das Tuch. Faltete es zusammen und riss es dann mit einem Ruck weg. Nichts als nur eine Konservenbüchse befand sich darunter. Kein Mensch. Kein Organ. Kein- nichts- anderes als eine Konservenbüchse. Die Büchse war schon etwas geöffnet. Ihr Metall glänzte etwas im Schein der Glühbirne. Öffnen sie und untersuchen sie den Inhalt! Schon wieder diese Befehlsstimme. Ich tat was mir befohlen. Ich war mir nicht sicher, wie vorsichtig ich sein soll. So öffnete ich den Rest der Büchse nur zaghaft. Obwohl ich mich bemühte beim Öffnen etwas vom Inhalt zu sehen, konnte ich nichts erkennen, bis ohne einen Laut der Deckel auf den Boden fiel.
Wie Spaghetti sahen einige Würmer aus der Dose raus. Ziehen sie daran! Ohne einen Druck zu spüren, zog ich einen menschlichen Kopf aus der Dose raus. Fest umklammert hielt ich den Kopf in meiner Hand, bis die Haare des Schädels ganz aus der Büchse schauten. In diesem Moment färbte sich der ganze Raum rot. Ohne Laute Töne von sich zu geben. Ohne Aktion, es wurde einfach alles rot. In diesem Augenblick des Traumes erwachte ich immer aus meinem Traum. Zu allen undenklichen Zeiten. Zwei Uhr. Fünf Uhr, es spielt keine Rolle. Diesen Traum hatte ich oft. Jahrelang begleitete er mich. Nicht jede Woche. Vielleicht einmal im Monat. Vielleicht auch weniger. Aber er war da.
Ich weiß aber bis heute nicht, ob ich die Prüfung auch bestanden habe.
28.2.2001 Bern
Eine Woche im Dorf
Meinem Nachbar Kostas hätte ich es nicht zugetraut, dass er die schweren Koffer seiner Gäste, ohne unterwegs stehen zu bleiben, bis in den dritten Stock trägt. Kostas der sonst immer nur in seinem Stuhl sitz und aufs Meer hinausschaut. Eines Tages schenkte er mir eine Melone und meinte dazu: Ab jetzt heisst die Melone Karpusi und die andere Peponi. Ein anderer Mann vom Hotel sprach recht gut Deutsch und übersetzte immer zwischen uns beiden. Ich erzählte wie ich mir griechische Wörter, die mir gefallen, recht gut behalten kann. Welche Wörter kannst du schon, meinte Kostas? Na ja, in Delphi habe ich das Wort für Frosch gelernt, weil ein Frosch immer ums Haus schlich. Und weiter, meinte Kostas! Das Wort für Spital und besonders das Wort für Hotel. Aber ich habe keine Sprachbegabung. Da aber immer wieder überall Karpusi zu sehen waren, lernte ich das Wort schnell. Bald bekam ich auch den Spitznamen Karpusi. Übrigens meinte ein anderer Grieche, der in der Schweiz arbeitet, in der Nähe seiner Wohnung hat es einen Graben, darin hat es einen Frosch. Aber den sollte man vergiften, weil er die ganze Nacht durch so quakt. Von einem Zimmermann aus Graz, der seit Jahren in diesem Dorf lebt, lernte ich das Wort für Zimmermann. Auch ich habe diesen Beruf erlernt. Nach ein paar Tagen zog ein Unwetter über die Gegend. Der Strom viel aus. Auf dem Dorfplatz brannten überall Kerzen. Es wurde still. Nach der Dunkelheit wurde es bald wieder hell. Man sah wieder die Karpusi. Mein Auto stand immer noch am Strand. Die Strassen und die Hotels sahen aus wie gewaschen und der Frosch im Graben hatte auch alles überlebt.
2016
Pulver gut im Kopf
Es hat geschneit. Neuschnee. Wunderschön. Kalt ist es geworden. Vor meinem Balkon stehen hunderte von Schneemännern. Einige haben sich schon bis an das Geländer vom Balkon gewagt. Es kommen immer wie mehr um die Ecke. Es fängt wieder an zu schneien. Nur leicht zwar, aber die Schneemänner scheinen dadurch grösser zu werden. Ihre Nasen, aus schön rot leuchtenden Rüben, bewegen sich auf und ab. Es scheint so als sie nach etwas Bestimmten schnuppern würden. Ihre Augen aus Kastanien, die im Herbst gesammelt wurden, schauen aber starr in die Gegend. So war mein erster Eindruck. Bis ich feststellte, dass ihre Blicke genau auf mich gerichtet sind. Es schneit stärker. Aber jetzt werden nicht alle grösser. Nur einer scheint immer wie grösser zu werden. Sein weisser Kopf stösst bald am oberen Stockwerk an. Deutlich sehe ich die Knöpfe auf seiner Brust, die auch aus Kastanien sind. Nach wenigen Augenblicken beugt sich dieser grosse Schneemann über das Geländer. Es folgt ein dumpfer Knall, den ich gar in meiner sicheren Wohnung wahrnehmen kann. Als wie eine Lawine am Haus vorbeigezogen wäre, hat sich mein Balkon recht hoch hinauf mit Schnee gefüllt. Langsam wurde mir schon etwas mulmig in meiner Wohnung. Bin ich drinnen auch wirklich sicher? Denn beim Knall ist es nicht geblieben. Immer wie mehr Schneemänner steigen über das Geländer. Jetzt hat es sogar Schneefrauen darunter. Schon vor einigen Minuten habe ich mich tiefer in meiner Stube verkrochen. Das darf doch nicht wahr sein? Was spielt sich da auf und vor meinem Balkon ab? Da sinniere ich so vor mich hin. Ist nicht die Farbe Weiss die Farbe der Unschuld, der Reinheit und der Jungfräulichkeit? Es scheint, dass ich noch Zeit habe und schaue noch schnell im Internet nach. Und wirklich. Reinheit, Unschuld, Jungfrau, ja sogar für die Unsterblichkeit und Unendlichkeit steht die Farbe in der Symbolik. Meine Gedanken drehten sich. Ich bin ja im Sternzeichen Jungfrau. Was kann mir denn schon geschehen? Aber meine Hände wasche ich auch halt nicht in Unschuld. Unsterblich bin ich auch nicht und wirklich rein bin ich nicht einmal, wenn ich ausgiebig geduscht habe. Nachdem ich den kurzen Text gelesen hatte, schaute ich wieder nach draussen. Da sah ich dann, wie sich die Schneefrauen und Schneemänner begannen zu umarmen. Ihre schön glänzenden Rübennasen berührten sich nun gegenseitig. Die küssen sich! Ihre Arme aus abgebrochen Ästen, bildeten nun ein grosses Durcheinander. Es sah aus wie eine riesige Umarmung. Schnell holte ich eines meiner weissen Badetücher aus meinem Schrank. Kehrte zurück zum Fenster und führte einen Freudentanz auf. Ich schwenkte mein weisses Badetuch wie eine Friedensfahne in der Stube hin und her. Das Tanzen, die Freude mit den Schneefrauen und Schneemännern dauerte eine Weile. All dies geschah bevor um acht Uhr morgens der Wecker losging. Etwas zerrsaust stand ich auf. Schob die Vorhänge bei Seite. Da sah ich, wie Draussen irgendjemand einen Schneemann gebaut hat. Es dauerte seine Zeit, bis mich wieder an alles erinnern konnte.
10.2.2021
Der Wind in Hellas
In meinem Hotelzimmer ist es kühl. Der kleine Balkon, der zum Zimmer dazugehört, bietet mir den ganzen Tag angenehmen Schatten. Ich sitze an meinem typischen kleinen griechischen Tisch. Der Wind bläst die Strasse rauf. Der kleinen Äste des Buganvilla Baum hängen tief herunter. Meinen PC habe ich ausgeschaltet und auch mein Handy ist ausser Betrieb. Das Zirpen der Zikaden und der Wind sind Unterhaltung genug. Ein Ast schaukelt mit dem Wind in einer so sanften Weise mit, das ich mir damit ganz fein meinen Rücken kratzen kann. Es ist schon fast mehr ein Massieren, weil es so fein kratzt, dass es mir ganz warm den Rücken runterfliesst. Wind ist nicht gleich Wind. So habe ich es in Griechenland oft empfunden. Wenn ich mit dem gemieteten Roller am Strand entlangfahre, dann kann es geschehen, dass Aeolos mir mit starken Windböen, beinahe den Helm vom Kopf reisst. Ach! Wenn nur nicht dauernd dieser blöde Wind blasen würde! Sagte einmal ein Tourist zu mir. Sei froh darum! Meinte ich. Die Hitze ist so viel erträglicher. Ach ja! Stimmt kam als Antwort zurück. Besonders schön, so finde ich, ist es, wenn man in den Bergen die verschiedenen Winde erleben kann. Mal kommt er von der Seite und ein anderes Mal hat man Rückenwind. Doch ganz besonders ist es, wenn der Wind diese verschiedenen Gerüche des Waldes einem an die Nase weht. Es gibt auch Orte, da hatte ich schon das Gefühl, dass an dieser Stelle der Wind stehen geblieben ist. Wie er sich in eine Art Kühlschrank verwandelt hätte. Dies sind dann Orte, wo ich für eine Weile verweile. Etwas zum Trinken zu mir nehme und einfach den Bäumen zuhöre. Dann gibt es noch den Wind, der mir auf ganz besondere Weise die Seele streichelt. Es ist schon oft geschehen. Doch besonders gut mag ich mich an einen Moment auf der Insel Samos erinnern. Nachdem ich die Hera Tempelanlage besichtigt hatte, lies ich mich etwas erschöpft auf einem Stein nieder. Fast keine Touristen waren unterwegs. Keine Stimmen durchdrangen die Stille. So schloss ich nach einer Weile meine Augen. Schon nach kurzer Zeit umarmten mich die warmen Winde. Langsam schien sich mein Körper etwas vom Stein zu lösen. Es fühlte sich an wie ein Schweben in der Luft. Ich hatte keine Krise damals. Es ging mir gut. Doch oft fühle ich mich etwas gar allein auf dieser Welt. Ich hörte in meiner Trance auch keine Stimmen, was ich vielleicht erwartet hätte. Aber ich spürte ein Gefühl von Vertrauen, von Wärme und Zuversicht in mir. Vielleicht fühlt es sich im Mutterleib so an. Zum Glück bin ich wach geblieben. Was wäre geschehen, wenn ich eingeschlafen wäre? Vielleicht wäre ich vom Stein runtergefallen. Vielleicht hätte ich dann meinen Kopf an einem anderen Stein aufgeschlagen. Blut wäre langsam in die Richtung des trockenen Grases geflossen. Ich tot. Tot auf dem Gelände des Tempels der Hera. Ein Menschenopfer vielleicht gar. Ungewollt. Es ist zum Glück nicht geschehen. Doch der Gott des Windes Aeolos schien nach mir zu rufen. Bernhard gehe an den Strand. Dort, du wirst es spüren, weht dann ein anderer Wind.
21.3.2023